Das Theater Augsburg inszeniert „Die Comedian Harmonists“ mit einem bitteren Ende und zelebriert hinreißend die unsterblichen Arrangements des Vokalquintetts. Augsburg. War alles nur ein schöner Traum, der mit einem bösen Erwachen sich in Nichts auflöst? Garstig giften sich die sechs „Freunde“ am Ende an.
Der Ausschluss aller jüdischen Elemente von künstlerischen Darbietungen in Nazi-Deutschland dient den „Ariern“ in der Gruppe offenbar bloß als Vorwand, um die „Comedian Harmonists“ zu spalten. Vergessen scheint die beispiellose Erfolgsgeschichte der ersten deutschen Boygroup, die sich gerade in der tiefsten Wirtschaftskrise emporarbeitete. Nun, in der Bedrängnis rettet jeder die eigene Haut.
Aber so deprimierend endet Adriana Altaras‚ mitreißende Inszenierung ihrer Geschichte auf der Augsburger Freilichtbühne nicht: Denn die Gesangsarrangements, der Wortwitz, der Swing und Pep der Comedian Harmonists sind einfach unsterblich. In der „Bar zum Krokodil“ reimt sich Ramses auf „da ham’ses“ und die Schöpfung des „Pyramidenomnibus“ gehört zur völlig unbefangenen, höheren Blödelei, die den fünf A-cappella-Vokalisten samt Piano die Sympathien nur so zufliegen ließen.
So ein Rausschmeißer tröstet über den unrühmlichen Abgang des Sextetts im Jahre 1935 hinweg.
Die beiden Stückautoren Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink setzen die Songs der Comedian Harmonists als dramaturgisches Material ein. Sie kommentieren und persiflieren die Dialoge vom ersten Casting bis zum finalen Katzenjammer. Wenn die Zimmerwirtin die nächtliche Probe schrill abbricht, schallt ihr ein schmeichelndes „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ entgegen. Als die Sänger wieder einmal in Trübsinn und Resignation zu versinken drohen und urplötzlich ihnen der große Auftritt winkt, beschwören sie einander mit „Ein Freund, ein guter Freund“.
Die große Freilichtbühne am Roten Tor hat Frank Philipp Schlößmann geschickt auf ein Drittel verkleinert mit einer Showbühne, die wiederum in einen rot ausgeschlagenen Guckkasten fokussiert. Beileibe stecken die smarten Boys aber nicht immer ihre Köpfe zusammen, um „ins Mikrofon zu schmalzen“. Die Choreografie von Dimas Casinha gewährt ihnen im Gegenteil große Aktionsräume für schwungvolle Comedy- und Tanznummern. Die fünf Sänger haben sich sogar derart fit gemacht, dass sie während ihres stets exakten Ensemblegesanges in verschiedene Richtungen ins Publikum hinaufsteigen können, um Tänzer auf die Bühne zu bitten.
Was einfach klingt, ist schwer zu singen.
Von Opernsängern wird diese dicht verwobene Art des miteinander Singens eher nicht verlangt. Umso größere Hochachtung verdienen die Tenöre Gerhard Werlitz (als Ari Leschnikoff), Manuel Wiencke (als Erich Abraham Collin) und Jan Friedrich Eggers (als Harry Frommermann), der Bariton Roman Payer (als Roman Cycowski) und der Bass Victor Petitjean (als Robert Biberti), die zusammen mit Friedemann Seitzer am Klavier, dem musikalischen Leiter der Inszenierung, allzeit Wohlklang hervorbrachten.
Was einfach klingt, ist schwer zu singen: Die Soli wandern ja ständig durch die einzelnen Stimmen. Die fünf auf der Freilichtbühne schaffen es spielend und pflegen dabei eine Aussprache, die noch im rasantesten Tempo gut verständlich ist. Obendrein verwirklichen sie sich als Komödianten der Sonderklasse, die auch die frivolen Inhalte („der Spargel wächst“) mit witziger Pantomime ausdrücken. Schon nach acht Minuten erhielten sie ersten Szenenapplaus, selbst aus dem Off waren sie noch zum Kaputtlachen.
Diesen skurrilen Bilderreigen ergänzt kongenial der Schauspieler Toomas Täht, der sich in Windeseile in immer neue Rollen verwandelt (Kostüme: Jessica Karge). Mal ist er SA-Mann mit Banner, mal spanische Dame, er kreist als Rennradler um die Bühne und sagt als Conférencier mit dick geschminkten roten Lippen mit schmierigem Charme den Welthit „Mein kleiner grüner Kaktus“ an. Kaum ein Päuschen entsteht zwischen den Szenen, die die gesamte Klaviatur der Gefühle bespielen. Begeisterter Applaus und Zugaben nach zweieinhalb Stunden.
Augsburger Allgemeine, 6.Juli 2009, Alois Knoller